Biographie
1979 | geboren in London/England |
2000–2001 | Grundstudium in Kunst und Design am Falmouth College of Art in Cornwall/England |
2002–2007 | Student der Universität der Künste Berlin (UdK / Leiko Ikemura) mit dem Abschluss „Meisterschüler“ |
2011 | Gastdozent am Malta College of Art, Science and Technology (MCAST) |
Lebt und arbeitet in Berlin |
Preise / Stipendien
2013 | „Walter-Koschatzky-Kunstpreis“ des Rotary Club Wien-Albertina |
2012 | "Losito Kunstpreis" der Losito Kressmann-Zschach Foundation |
2010 | "Förderpreis für junge Nachwuchskünstler" von Art+Prison e.V. |
2008–2010 | Atelierstipendium der Karl-Hofer-Gesellschaft |
Einzelausstellungen
2018 | "Atlas", Galerie Russi Klenner, Berlin |
2017 | "Global", Kunstverein Ulm |
"hYBriD", Evelyn Drewes Galerie, Hamburg | |
2016 | "AYM", Galerie Russi Klenner, Berlin |
2014 | “Fragmente“, Russi Klenner, Berlin |
"seltene Erden", Evelyn Drewes Galerie, Hamburg | |
2013 | “Seed“, Neuberg an der Mürz, Österreich |
2012 | "Der blaue Himmel", Galerie Anke Zeisler, Berlin |
2010 | "Augenweiden", Kunstsalon von Vattenfall Europe, Berlin |
“5.Rendezvous mit Kunst : Paare“, Berlin | |
2009 | "APO 12", Galerie Stefan Westphal, Berlin |
"Damme Projekt", Galerie Tepe, Damme / Niedersachsen | |
2007 | “Kleine Häuser“, Berlin Neukölln |
Gruppenausstellungen
2020 | "Watergate", im Kontext der Ostrale, Rijeka (Kroatien) |
2019 | "Nachts allein im Atelier #6", Evelyn Drewes Galerie, Hamburg |
"PING PONG Miami", Miami | |
"EIGENBEDARF", Uferhallen, Berlin | |
Ostrale 2019, Dresden | |
"YOU ARE HERE", Baumwollspinnerei, Leipzig | |
2018 | "Nachts allein im Atelier #5", Evelyn Drewes Galerie, Hamburg |
"Bambi goes Art, das Banale in der Kunst", Kunstraum hase29, Osnabrück | |
"vis à vis", Barlach Halle K, mit Evelyn Drewes Galerie, Hamburg | |
"What Paradise?", Sammlung PetersMesser, Weserburg, Museum der modernen Kunst Bremen | |
"Der süße Brei", kuratiert von Isabelle Meiffert und Lilian Engelmann, Eberswalde | |
2017 | "Wir Magier" Meisterschülerausstellung kuratiert von Leiko Ikemura, Evelyn Drewes Galerie, Hamburg |
"GRENZerfahrungen", Galerie Russi Klenner, Berlin | |
"Nah und Fern", Teilnahme am Skulpturen-Park, Bingen am Rhein | |
2016 | "Nachts allein im Atelier", Evelyn Drewes Galerie, Hamburg |
"New Selection", JungeKunstBerlin, Berlin | |
"MitMenschen", Lachenmann-Art, Konstanz | |
"Work on Paper" JungeKunstBerlin, Berlin | |
2015 | "Nachts allein im Atelier", Evelyn Drewes Galerie, Hamburg |
"Die andere Seite des Lichts", Berlin | |
"Pole Position", JungeKunstBerlin, Berlin | |
"Streben nach Erkenntnis", Kunst am Bau, VHS Landau/ Bayern | |
"Verwandlungen, Bilder von der Natir", Marienkirche Frankfurt (Oder) | |
"Knotenpunkt 2015", Affenfaust Galerie, Hamburg | |
"CARE OF", Russi Klenner c/o The Grass is Greener, Leipzig | |
"Nominiertenausstellung Kunstpreis 2015 der Märkischen Oberzeitung", Schloss Neuhardenberg, Neuhardenberg | |
"Kabinett", Evelyn Drewes Galerie, Hamburg | |
"Woran glaubst du?/ Scheitern", xpon-art, Hamburg | |
"Junge Kunst Berlin", Showroom, Berlin | |
2014 | "6 Künstler - 6 Kunstakademien", Sparkasse Karlsruhe Ettlingen, Karlsruhe |
"salondergegenwart2014", Hamburg | |
"P/ART", Produzentenmesse, Hamburg | |
"und woran glaubst du?", nachtspeicher23 e.V., Hamburg | |
"I love art from Berlin", Galerie Karin Sutter, Basel | |
"lost", Junge Kunst Berlin, Berlin | |
2013 | “TransFormAktion“, Kulturhaus 73, Hamburg |
“One Each“, Russi Klenner, Berlin | |
“Junge Positionen, Kapitel II / Berlin“, Galerie Rigassi, Bern | |
"Walter-Koschatzky-Kunstpreis", Nominiertenausstellung im Museum Moderner Kunst Wien | |
“Russi Klenner: private View“, Kunstraum Bethanien , Berlin | |
2012 | “illusions to carry on / junge surreale Postionen“, Galerie Rosendahl, Thöne und Westphal, Berlin |
“Losito - Kunstpreis“ Gruppenausstellung, Potsdam | |
“preview“ Kunstmesse mit JungeKunstBerlin, Berlin | |
"swab Barcelona", Kunstmesse mit JungeKunstBerlin, Barcelona | |
"NoTown, beyond the wall", Detroit/USA | |
"34 zu Kleist", Städtisches Kunsthaus Speyer | |
2011 | "ich bin ein Berliner", DezerSchauhalle in Miami/USA |
"Watchlist 11", JungeKunstBerlin, Berlin | |
"Zeitenwende", ARD Hauptstadtstudio, Berlin | |
"Berlin am Meer II", Galerie Rosendahl, Thöne und Westphal, Berlin | |
"34 zu Kleist", St.Marienkirche in Frankfurt (Oder) | |
"Hotspot Berlin", Georg Kolbe Museum, Berin | |
"Krieg im Frieden", Kunstpavillon, München | |
"Szenenwechsel, Teil 1", Galerie Rosendahl, Thöne und Westphal ( RT+W ), Berlin | |
2010 | "Zandt vs.Riethmann", Junge Kunst Berlin, Berlin |
"Retour de Paris. Unsere Meister vom Expressionimus bis heute”, Von der Heydt- Museum, Wuppertal | |
"Watchlist", Junge Kunst Berlin, Berlin | |
"fuck ups, fables and fiascos", Galerie Caprice Horn, Berlin | |
"Themenwechsel", Karl-Hofer- Gesellschaft, Berlin | |
“art on Paper“, Messe für Papierarbeiten, artstanding (uk), Bruessel / Belgien | |
“already a year?“, Galerie Stefan Westphal, Berlin | |
“This is Red“, Klasse Ikemura im CAP Cologne, Köln | |
“globalized nature“, Galerie Caprice Horn, Berlin | |
“Grosse Kunstausstellung“, BBK Nürnberg | |
2009 | Aachener Kunstverein, Aachen |
"Berlin am Meer", Galerie Stefan Westphal, Berlin | |
"Walter-Koschatzky-Kunstpreis" Nominierungsausstellung, Museum Moderner Kunst, Wien | |
"Form versus Inhalt", Haus am Kleistpark, Berlin | |
2008 | “folgen.“, Wächterhaus, Halle/Saale |
Ausstellung Karl-Hofer-Gesellschaft, Berlin | |
“Gladiators“, Galerie Strenger, Berlin | |
„.ARTBANG“, Kulturhaus chb-kollektiv, Berlin | |
2007 | “Homo Bellingus“, Berlin |
“drawings, young artists from Germany“, Nagoya/Japan | |
“dark wood of error“, Berlin | |
“2.12.2006-31.5.2007“, Galerie Strenger, Berlin |
Texte & Publikationen
„ ... im Zentrum seiner Arbeit steht die Identifizierung des Einzelnen in einer westlich geprägten, immer globaleren Gesellschaft und den gleichzeitigen Sehnsüchten und Phantasien des Individuums selbst. „
(Leiko Ikemura, Professorin an der Universität der Künste, Berlin)
„Mit einem besonderen Vergnügen ... kreiert der Berliner Künstler Ab- und Scheinbilder von gefundenen Realitäten unserer Gegenwart und verschränkt sie in Reihen als immer sensibel behandelte Versatzstücke mentaler Welt-Reisen. In unterschiedlichsten künstlerischen Techniken kreiert er Denk-Modelle, die ein breites Spektrum von thematischen Assoziationsketten genauso vorzuweisen wie auszulösen vermögen.“
(Martin Hartung, Kunsttheoretike)
„... Weiße Flächen dominieren augenfällig die Bildsprache der Einzelmotive, die eine spektakuläre Bildarchitektur bewirken. Die Auslöschung vorgegebenen Raumes betont die Körpersprache, erneuert den Kontext real möglicher Situationen und öffnet einen Resonanzraum für Illusionen. Vordergrund und Hintergrund sowie das Verhältnis von Raum und Fläche transformieren durch die Position der Geschöpfe bzw. Objekte in ein ambivalentes Raumgefüge. Freigelassenes suggeriert nüchterne Sachlichkeit, unterstützt durch die reduzierte Wahl an Bildmotiven.“
(Hans Tepe, Galerist)
"Globale, gesellschaftliche und/oder private Ausnahmesituationen bilden den thematischen Ausgangspunkt. Das können Naturkatastrophen, Unfälle aber auch kriegerische Auseinandersetzungen sein. Ich verwende Pressebilder, Bilder aus dem Internet oder eigene Fotos, von denen ich mir bestimmte Ausschnitte aneigne und diese als Vorlage für meine Malerei verwende. Dabei achte ich darauf, dass der Ausschnitt nicht nur eine konkrete Situation, sondern etwas allgemeines darstellt. Bei menschlichen Figuren z. B. geht es mir in der Regel um die Rolle, die diese Figur in einer Krisensituation erfüllt. Die verwendeten Fragmente schaffen im Kontrast zu nicht dargestellten Bildelementen sowohl inhaltlich als auch formell ein Spannungsfeld für thematische sowie räumliche Interpretationen. Ausnahmesituationen stellen in Ihrer Dramatik oft auch einen Wandel dar, von einem Zustand in einen anderen. Dieser Wechsel, dieser Moment des Entstehens aus etwas altem fasziniert mich. In meinen Arbeiten spielt diese Spannung zwischen dem Auflösen, dem Verschwinden und dem Kreieren die zentrale Rolle, sowohl in der Wahl meiner Motive, als auch in der Art der Darstellung."
(Achim Riethmann)
„der Blaue Himmel“
Als ich zum ersten Mal eines seiner Werke sah, war ich beeindruckt von der Genauigkeit der Darstellung mit den Mitteln von Wasserfarbe und Papier und dieser ganz eigenen Idee der Konzentration. Auf dem Blatt befindet sich lediglich eine Figuration – ohne Verankerungen im Raum, d.h. keine Landschaft, kein Interieur, kein Hintergrund - und sogar diese Figuration besteht sehr oft nur aus den Teilen, die der Künstler im Fokus hat. Was bedeutet, sie bleibt unvollständig, ausgespart von Eigenem und manchmal auch von etwas, das sie imaginär im Vordergrund überdeckt – als weiße Flecken. Diese künstlerische Methode verweist unter anderem auf den Aspekt unserer Wahrnehmung, immer nur Ausschnitt sein zu können.
Aber was für Ausschnitte zeigt Riethmann da?
Wir sehen Darstellungen vom Menschen, Darstellungen aus der Technik und aus der Natur. Wie schön und wie genau er Pflanzen zeichnet: Fruchtzweige der Baumwolle, Reisgräser oder die aufragende Kartoffelblume. Es sind komponierte Blätter von einer bestechenden Ästhetik, mit der sich der Künstler auch einem kaputten Auto, einem abgestürzten Kriegshelikopter oder Menschen in Schutzanzügen widmet.
Der aufmerksame und kritische Beobachter Riethmann findet seine Themen in der Presse, Zeitungen, Zeitschriften. Fotos, die Nachrichten begleiten, geben den Anstoß für ein Aquarell. Auch wenn er das Motiv übernimmt, so kommt doch die Zeichnung ganz aus ihm selbst. Man kann sagen, es ist im Ansatz eine bildnerische Übersetzung des Zeitungsfotos, das Riethmann benutzt. Tatsächlich aber ist es eine Art Verwandlung in ein Bildwerk mit einer ihm eigenen Struktur. Es geht ein in das Schaffen des Künstlers zu einer Gesamtthematik: Diese will uns in anderer Weise als es die Pressenachrichten tun, vor Augen führen, was geschieht.
Der Künstler richtet seinen Blick auf wesentliche, unser Dasein existentiell berührende Entwicklungen und arbeitet diese anhand von Einzelbeispielen heraus. So stehen Riethmanns Pflanzendarstellungen exemplarisch für Gentechnik. Wir kennen das vom Reis (Eiweißgehalt), von der Kartoffel (Stärkeanteil) oder der Baumwolle (Schädlingsresistenz). Diese Auswahl betrifft zudem einige der elementar wichtigen Pflanzen für Nahrung und Kleidung des Menschen. Und daher ist zu verstehen, dass er die Reihe der Pflanzenaquarelle durchmischt mit denen der menschlichen Figur - immer im Schutzanzug, meist mit Maske oder anderem Gesichtsschutz. Als wollte sich der Mensch vor seinen eigenen Produkten oder vor sich selbst in Schutz bringen.
Die von Riethmann aufgegriffenen Themen sind bekannt und wir müssen uns eingestehen: irgendwie leben wir damit. Es ist erstaunlich, wie stark uns diese Arbeiten dennoch ansprechen in ihrer unprätentiösen und leisen Art: präzise, formal und gedanklich durchgearbeitet und irgendwie auch gewagt und mutig, wenn man bedenkt, dass jeder Pinselstrich richtig sein muss, denn das Aquarell ist nicht zu korrigieren. Die feine Noblesse des gekonnten Handwerks und das anziehend Schöne in jedem Blatt entfalten aber erst mit dem innewohnenden kritischen Engagement und einem von Sorge um die Zukunft gerichteten Denken ihre ganze Kraft.
„Diese Art zu arbeiten“ sagt Riethmann „da kommt man um diese Geschichten nicht herum.“ Hier fühle ich mich erinnert an den Philosophen Günther Anders. Er hatte 1952 einen Briefwechsel mit einem der Piloten der „Hiroshima-Mission“. Darin heißt es an einer Stelle: Die Möglichkeit der Apokalypse ist unser Werk. Aber wir wissen nicht was wir tun. Wir wissen es wirklich nicht, und auch diejenigen wissen es nicht, die über die Apokalypse entscheiden; denn auch sie sind wir, auch sie sind grundsätzlich inkompetent. Dass auch sie inkompetent sind, ist freilich nicht ihre Schuld. Vielmehr die Folge einer Tatsache, die keinem von ihnen und keinem von uns angerechnet werden kann: nämlich Folge der täglich wachsenden Kluft zwischen zwei unserer Vermögen: zwischen dem, was wir herstellen können und dem, was wir vorstellen können.
(Anke Zeisler © Auszug aus einer Rede in der Galerie Anke Zeisler zur Eröffnung der Ausstellung ACHIM RIETHMANN „der Blaue Himmel“ am 25.1.201)
Interview mit dem Künstler
(Kim Richters mit Achim Riethmann, Oktober 2012, London/ Berli)
Warum bist du Kuenstler geworden?
Ich bin in diese Rolle als Künstler mehr reingerutscht, als das es eine bewusste, geplante Entscheidung gewesen wäre. Es kam über das machen, im handwerklichen Sinne, aber auch aus dem Bedürfnis heraus, neue Dinge zu erschaffen, zu kreiren.
Im Nachhinein denke ich, es war auch immer ein Antrieb in mir, mich abzugrenzen, anders zu sein. Und das zeichnet einen Künstler ja auch aus....
Ich wollte mich nie spezialisieren; eine genormte Funktion innerhalb eines gesellschaftlichen Systems erfüllen. Ironischerweise habe ich mich inzwischen innerhalb der Möglichkeiten der Kunst sehr auf das Aquarell spezialisiert (... allerdings ohne die Lust an anderen Medien verloren zu haben ).
Hast du dich schon immer kuenstlerisch betaetigt?
Ja.
Wieso hast du Aquarellarbeiten gewaehlt? Arbeitest du auch mit anderen Materialien?
Als Künstler wählt man sein Medium nicht unbedingt bewusst oder logisch. Es ist vielmehr das Resultat eines Prozesses. Zumindest bei mir ist das so. Es ist ja auch nicht so, dass ich ausschließlich Aquarelle produziere. Immer wieder entstehen auch Objekte, Ölbilder, Fotos …
Am Anfang meines Studiums in Berlin und gegen Ende habe ich mit Aquarellfarbe gearbeitet. Dazwischen im Grunde mit allem Anderen.
Aquarell erschien mir lange nicht seriös genug, nicht spektakulär, nicht zeitgemäß. Erst als ich zur Absolventenausstellung alte Aquarelle aus Marokko hervorkramte und Prof. Lothar Baumgarten aus der Prüfungskommission vor Allem an diesen interessiert schien, habe ich es selbst wieder ernster genommen. Meine Professorin Leiko Ikemura hat mich dann darin bestärkt weiter mit diesem Medium zu arbeiten. Und als meine Tochter 2006 zur Welt kam, musste ich praktisch denken und meine Zeit sinnvoller nutzen und mich auf das Wesentliche konzentrieren. Aquarell ist ja ein sehr schnelles, praktisches Medium. Ich hatte damals meine Malsachen immer in meinem Rucksack bei mir und habe Motive aus meiner direkten Umgebung genommen: erst Architektur, dann Pressefotos. Ich konnte überall arbeiten und musste nicht zwangsläufig in ein Atelier. Das hat mir auch in Bezug auf meine Vorstellung von Kunst und Künstler sein gut gefallen. Und wenn ich zwei Stunden Zeit hatte konnte ich einfach irgendwohin gehen und arbeiten.
Allerdings ist Aquarell ja auch nur das Medium, also das Mittel, und in meinem künstlerischen Bestreben geht es in der Regel um Ausstellungen. Ich arbeite also bei jedem einzelnen Bild auch immer an einer Installation, bei der es in einem bestimmten Raum um die Kombination verschiedener Einzelarbeiten, deren Beziehungen zueinander und zum Betrachter geht.
Willst du den Leuten, die sich mit deinen Arbeiten auseinander setzen, eine bestimmte Botschaft vermitteln?
Nein. Eine bestimmte, definierte Botschaft gibt es nicht. Das ist 1. nicht die Aufgabe von Kunst und 2. ist diese Welt zu komplex und zu ambivalent für mich um eine klare Botschaft, also eine eindeutige Wahrheit zu finden geschweige denn auszudrücken. Es geht eher um die Perspektive.
In der Kunst geht es darum, sich auf die Suche zu machen nach Wahrheit, Leute mit dieser Suche, dem Prozess, zu konfrontieren. Dinge in Frage stellen, subjektive Sichtweisen finden...
Es gibt in meiner Arbeit aber durchaus Themen die ich wichtig finde, mit denen ich mich immer wieder weiterarbeite.
Die sanften Farben der Aquarelle auf weissem Papier, steht im krassen Gegensatz zu den abgebildeten Themen. Was willst du damit sagen?
Ja, das höre ich oft. Dass ich mit so einem weichen, sensiblen Medium so harte Themen bearbeite. Das ist kein bewusst gewählter Kontrast. Es ist vielmehr über die die Jahre dazu gekommen. Ich arbeite mit einem Medium, das mich befriedigt an Themen, die mich interessieren.
Als ich mit dem Aquarell wieder anfing ging es zunächst um Architektur und Natur, also um Landschaft im weiteren Sinne; eher ein typisches Aquarellmotiv. Dann kam ich über Pressebild-Vorlagen, der “Medienlandschaft“ zu bestimmten Themenbereichen, die ich mir inzwischen angeeignet habe. Diesen Kontrast zwischen dem Medium und den Motiven/Themen finde ich aber auch sehr interessant und ich versuche ihn sinnvoll einzusetzen. Zum Einen ist das Aquarell extrem ästhetisch, zum Anderen ist es ein sehr direktes, sehr subjektives Medium. Das hat in meinen Augen einen eigenen Wert und bietet eine gute Ausgangssituation für die persönliche Reflexion diverser Themen.
Außerdem könnte diese Art der Arbeit, die notwendige Konzentration, die Langsamkeit, das Handwerk auch eine Reaktion auf den Zustand der Welt mit all ihrer medialen Überforderungen und der übermäßigen Produktion unnützer Güter sein. Eine melancholische Sehnsucht vielleicht.
Dadurch, dass du die Figuren auf dem Papier unvollstaendig malst, sieht es so aus, als ob sie aus dem Hintergrund hervor brechen. Was moechtest du damit ausdruecken?
Hervorbrechen? Das beabsichtige ich eigentlich nicht. Ähnlich wie das Medium und die Themen ist auch diese Art der fragmentierten Darstellung über die Jahre entstanden. Inzwischen begreife ich es als Mittel innerhalb meiner Arbeiten. Meiner Meinung nach geschehen vor allem zwei Dinge:
1. inhaltlich: Das Motiv wird aus dem Kontext heraus gelöst und auch in sich zerlegt. Dabei kann ich bestimmte Elemente auch „nicht malen“und so betonen. In manchen Bildern geht es vor allem um das nicht dargestellte und alles abgebildete ist nur der Bezugsrahmen dafür; der Kontext. Bei anderen Arbeiten spielt die Fragmentierung und Zerlegung des Motivs eine große Rolle und die inhaltliche Bedeutung kann so weitergeführt werden.
2. formal: Wenn ich male ist das ein sehr organischer Prozess. Ich beginne bei einem besonders interessanten Teil der Vorlage und bewege mich von dort über das Blatt. Das Bild wächst sozusagen. Ich reagiere dabei ständig auf das gemalte und weiss nie genau wie das Endergebnis aussehen wird, welche Stellen gemalt und welche weggelassen werden. Das Weglassen bietet dabei eine Möglichkeit vom reinen Abmalen / Abbilden abzuweichen und auch kompositorisch kreativ zu sein.
Außerdem spielt der Raum in meinen Bildern eine zentrale Rolle. Da ich i.d.R. Nur eine Ebene abbilde, keinen Mittel- oder Hintergrund zeige, versuche ich über dieses Freilassen in Kombination mit der Komposition Motivs Räume innerhalb des Bildes zu öffnen.
Deine Arbeiten sind politisch beeinflusst. Wie bist du dazu gekommen, politische Arbeiten zu machen?
Ich bin in einem politisch bewussten Umfeld aufgewachsen, z.T. In besetzten Häusern oder Höfen, und hatte über meine Eltern viel Kontakt zu politisch motivierten Menschen/Initiativen. Aus dieser Perspektive die Welt zu betrachten scheint mir ganz normal. Ich denke nicht, dass meine Arbeiten wirklich politisch sind (vielleicht pseudopolitisch?). Ich beschäftige mich mit Themen und Bildern, die oft in politischem Kontext auftauchen. Daraus können sich eine politische Auseinandersetzung oder Diskussionen ergeben, aber zu politischer Kunst gehört für mich auch eine ganz konkrete Auseinandersetzung, oft auch eine klare Position; eine eindeutige Meinung. Die habe ich aber nicht. Polizisten oder Soldaten abzubilden bedeutet natürlich, dass man sich in einem politischen Kontext bewegt, aber ich versuche eben nicht zu urteilen.
Ich bemühe mich viel mehr um Themen, über die es meiner Meinung nach wichtig ist nachzudenken und zu hinterfragen, diese in meine Kunst hinein zu holen. Ich hatte und habe immer das Bedürfnis Dinge und Themen aus der konkreten Welt in meine Arbeiten zu integrieren, Beziehungen auch außerhalb der Kunstwelt herzustellen.
Wieso bist du von England nach Deutschland gezogen? Was verbindet dich mit Deutschland?
London ist meine Geburtsstadt, aber aufgewachsen bin ich in Berlin. Wir sind von der englischen Großstadt erst nach Irland aufs Land gezogen, da war ich gerade fünf Monate alt, dann zwei Jahre später nach Berlin. Irland war wohl doch zu provinziell, zu nass. Ich habe die britische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Für ein Grundstudium in Kunst und Design bin ich ein Jahr nach Cornwall an das Falmouth College of Art and Design gegangen und anschließend an die Universität der Künste Berlin. Das Kunststudium in England war mir zu wenig reflektiert. Es ging immer nur darum möglichst viel verrücktes Zeug zu produzieren und kaum um das Warum. In Berlin war es dann genau andersherum. Ich habe mich nach meinem Meisterschüler bei Leiko Ikemura am Royal College of Art in London beworben um meine Ergebnisse wieder in den Vordergrund zu verlegen. Zum Interview wurde ich auch eingeladen. „Das war ja geplant wie eine militärische Aktion“ und „Die Arbeiten können so doch in einer Galerie hängen“ waren zwei der Sätze, die mir in Erinnerung blieben. Ich wurde nicht angenommen. Jetzt lebe ich als Künstler mit meiner Frau und zwei Kindern (meine Tochter ist gerade in die Schule gekommen) in Berlin und fühle mich wohl hier.

Achim Riethmann
"ASR 09/16"
2016, 176 Seiten
Werkmonografie
Hrsg. Russi Klenner
DISTANZ Verlag
ISBN: 978-3-95476-143-2
Achim Riethmann
"seltene Erden"
2014, 29x21cm, 52 Seiten
EUR 20,-